Glaubensreligionen und Pantheismus

In den Glaubensreligionen steht ein der Materie entkleidetes, abstraktes, absolutes Ich – eine Seele – im Zentrum; im Pantheismus ein Ich, das substantiell und inhaltlich mit der Materie (der Natur) verbunden ist. Die Gedanken kreisen nicht um die ewige Erhaltung eines entsinnlichten Bewusstseins, sondern die Erfüllung besteht im Aufgehen des Ichs in der sinnlichen Welt. In den Glaubensreligionen kann die Verbindung mit dem Besten, Schönsten, Wertvollsten (der Gottperson) durch Herabwürdigung und Geringschätzung der Natur bestehen, beim Pantheismus hingegen nicht.  

Zwar kann das Ich durch Herabwürdigung und Geringschätzung auch Ziele finden, im Allgemeinen ist es die Befriedigung, über Dinge und Menschen zu bestimmen, mit dem Höhepunkt des Erfolgserlebnisses, aber es kehrt dann zurück in eine Leere.

Ich denke nicht, dass die Erde befriedet werden kann mit einer Glaubensreligion, denn diese ist eine Herrschaftslehre, nicht aber eine Weisheitslehre. Eine gute Religion sollte eine Weisheitslehre sein, und nicht der Weisheit entgegengesetzt. Die Geschichte der jüdisch-christlichen Religion ist die der Entfernung des Menschen von der Natur.

Ziel des Pantheisten ist die Übereinstimmung des eigenen Seins mit dem Sein überhaupt.

Spinoza und Goethe – und vermutlich auch Schiller und Descartes – sind berühmte Vertreter des Pantheismus.

Sein – oder Wirklichkeit – mit dem Willen einer Person gleichsetzen

Das tun die semitischen Religionen (Judentum, Christentum, Islam) indem sie das Universum – den Kosmos, das Sein, die Natur – nicht als unendlich auffassen (unendlichen Zusammenhang, unendliche Möglichkeit, unendliche Varietät), sondern Objekt, das die Wirkung eines personalen Willens sei (einer rein geistigen, wollenden, allmächtigen Person).

Anschlussfragen:

– Kann es letztlich überhaupt ein Aufnehmen, Empfangen, Einsehen, auf-sich-wirken-Lassen geben, wenn der Kosmos nicht unendlich ist, sondern nur Wille eines personalen Gottes?! denn, wohlverstanden: auf die rein geistige, wollende, allmächtige Person selber kann sich das Aufnehmen, Empfangen, Einsehen, auf-sich-wirken-Lassen nicht beziehen, denn diese ist Gegenstand des Glaubens, und somit letztlich selbst nur eine Art Wollen (gerichtet sein auf die Zukunft).

– Worin besteht die rein geistige, allmächtige Person sonst noch ausser Wollen (Willen)? Oder anders gefragt: kann sie überhaupt bestehen, ohne Körperlichkeit?! Denn wir müssen uns bewusst sein: Wollen – das Streben nach einem Realisierungsakt – kann nicht sein, ohne etwas, auf das es sich bezieht, ausserdem kann die Realisierung nicht nur im Geiste bestehen.

Religiöses Befinden

Wenn Menschen, Tiere, Pflanzen, Dinge sich nicht darin erschöpfen Mittel für meine Wünsche und Begierden zu sein, dann habe ich Religion. Dann nehme ich sie in einer Dimension wahr, in der ich das Sein würdige.

Unter Religion verstehe ich Sinngebung, oder Sinnfindung: Eine Antwort auf die Frage, was das Sein, oder die Wirklichkeit (Kosmos, Natur, Universum, mein Existieren) für mich ist. Die Antwort kann ein Sinn sein, der die Natur, den Menschen, und die Wahrheit würdigt, oder aber sie herabwürdigt.

Engstirnig und hasserfüllt sein, niederträchtig, hartherzig, und kleinkariert kann mit Glauben, Unterwerfung, und Gehorsam einhergehen, aber nicht mit Spiritualität. Meine Übereinstimmung mit dem Göttlichen – insofern man darunter den Kosmos, das Universum, das menschliche Sein, die Natur versteht – kann nicht durch Hoch­mut, Schein, Einbildungen, und Äusserlichkeit bestehen.

Die Würdigung und den Genuss des Seins, das heisst, die Übereinstimmung mit ihm, und die Fähigkeit, sich nicht selber mehr zu bejahen als das andere, würde ich als Spiritualität, oder religiöses Befinden bezeichnen.

Eine Religion, die das unendliche Sein, die Vielfalt und Tiefe der Wirklichkeit reduziert, reduziert auch das Göttliche, würdigt es herab!