Die Rede ist von der Ukraine und Israel.
Eine Regierung, die sich gegen die Bevölkerung abgrenzt, deren Territorium sie beansprucht, sendet ihr folgende Botschaft: Wir haben das Verfügungsrecht über euch, ihr seid Menschen zweiter Klasse, entweder ihr verschwindet oder ihr lebt unter den Bedingungen, die wir, die Menschen erster Klasse, euch diktieren. (Für diejenigen, die es noch nicht gemerkt haben: ich spreche von der Bevölkerung von Donezk/Lugansk bzw. der arabischen Bevölkerung Palästinas.)
Womit identifiziert sich eine Regierung, die sich gegen die Bevölkerung abgrenzt, deren Territorium sie beansprucht: mit einer Gruppierung deren Merkmal eine bestimmte Abstammung ist – was ein rassistisches Staatsverständnis bedeutet.
Überlegenheit aus Abstammung ermöglicht, mit dem – unteilbaren – Sein keine Einheit zu machen. Sie ermöglicht, sich über es zu stellen, das heisst, seinem Wahrnehmen oder Erfassen auszuweichen. Mit ‘Sein’ meine ich nicht nur Dinge oder einzelne Wesen wie Sterne, Tiere, Menschen sondern auch das, womit sie miteinander verbunden sind.
Welches sind die Vorteile, seine Identität daraus zu haben, keine Einheit mit dem Sein zu machen – denn wir müssen uns im Klaren darüber sein: Geniessen und würdigen bedeuten Übereinstimmung – aber sie bedeuten auch anerkennen des Seins (des anderen): Macht hingegen bedeutet nicht wahrnehmen, erfassen, aufnehmen, empfangen, auf-sich-wirken-lassen des Seins – dadurch kann einer Angst ausgewichen werden bzw. es ist möglich, das Sein – partiell, willkürlich – zu negieren und dadurch angenehme Gefühle zu haben.
Klar sollten wir uns darüber sein, dass der Ukraine-Staat (seit 2014) und der Israel-Staat (seit 1948) schon lange aufgeflogen wären, wenn es nicht mächtige Akteure gäbe, die ein Interesse an ihrem Bestehen haben oder anders gesagt, wenn nicht eine Grossmacht in ihr Bestehen involviert wäre. Ihre Ethik kann folgendermassen beschrieben werden:
Wir haben das Verfügungsrecht über andere Staaten und Bevölkerungen; wir sind die Guten, die anderen die Bösen; wir stehen über euch; ihr gehört zu unseren Feinden, wenn ihr euch nicht freiwillig ausbeuten lasst – ansonsten verachten wir euch bloss; grundsätzlich gehört alles uns; mit uns ist Koexistenz auf gleichberechtigter Basis nicht möglich. Jetzt können Sie sich fragen, ob ich damit die Ethik von Victoria Nuland (USA-Neocon) zutreffend beschrieben habe?
Anhang:
Schicksalshaft kann es werden, wenn archaische Vorstellungskraft und exzeptionelle intellektuelle Fähigkeit in einem Volk zusammentreffen: Der Überlebenswille oder die Überlegenheit der eigenen Abstammung konnte dadurch nicht mehr aus einer herkömmlichen Gottheit – neben der ähnliche oder vergleichbare Gottheiten bestehen – hergeleitet werden, sondern es musste etwas Unvergleichliches geschaffen werden, an dem der eigene Bestand und Wert ausgerichtet werden konnte; dementsprechend grundlegend gestaltete sich die Aufspaltung oder Zweiteilung (‘wir gegen sie’ oder ‘wir über ihnen’): Ihr Ursprung bildet – wie könnte es anders sein? – ein rein geistiger, allmächtiger Wille – Gottperson – der einem eingegrenzten Sein gegenübersteht, über das er gebietet; der Antrieb zu einem solchen katastrophalen Hirngespinst war kaum ein spiritueller, denn es erlaubte die Aufspaltung in sich als die Abstammung, die diesem allmächtigen Willen näher steht als all die anderen Menschen. Wir sind hier beim Ursprung der abendländischen Religion, Ideologie, Weltanschauung.
Die Empfindung oder das Gefühl, etwas Besseres, Wertvolleres zu sein als andere Menschen und über ihnen zu stehen, das heisst, Hochmut oder Arroganz, müssen nicht mit Wollen verbunden sein. Vom Affekt (Empfindung, Gefühl) des Neides hingegen, würde ich sagen, dass er mindestens latent das Wollen enthält, den anderen Menschen herabzuwürdigen, zu neutralisieren oder Macht über ihn zu gewinnen – denn Neid heisst: Man möchte auch so sein oder das haben, was der andere ist oder hat. Anfügen könnte man noch, dass ‘sich wertvoller fühlen als andere’ zwar nicht unbedingt mit Wollen verbunden ist, aber eine gewisse Nähe zu Schadenfreude und Spott (= Häme) aufweist und kaum zu Mitgefühl.