Mit einem bestimmten Wollen ist meistens auch ein Gegenantrieb, eine Gegenidee, ein Zweifel, oder ein Hinderungsgrund verbunden, dessen ich mir mehr oder weniger bewusst bin, und der mehr oder weniger wirksam ist. Ob ich dem einen, oder dem andern nachgebe, darin besteht meine Freiheit.
Wir müssen uns bewusst sein, das Motiv des Wollens besteht darin, zu angenehmen Gefühlen zu kommen, oder unangenehme zu vermeiden. Insofern könnte man das Wollen mit dem Verstand gleichsetzen – denn der Verstand verfolgt doch genau dieses Ziel.
Allerdings kann der Verstand eingeschränkter, oder ausgeweiteter sein, er kann zum Beispiel kurzfristig, oder langfristig denken, und gründlich, oder weniger gründlich.
Erfreuliche soziale Beziehungen, Geltung, Sinnenlust, Besitz, und Gesundheit sind im Allgemeinen die Ziele menschlichen Strebens. Ich kann zum Beispiel Geltung durch Lüge erreichen, Lust durch Ruinieren meines Körpers, und Neutralisierung meines Neides durch die Herabwürdigung des andern – all dies kann sogar unter Aufwendung von viel Verstand geschehen. Allerdings werden mich Lüge, Ruinieren meines Körpers, und Herabwürdigung nicht freier machen, denn sie bedeuten Widersprüche, beziehungsweise den Verlust meiner Übereinstimmung mit der Natur, meinem eigenen Geist, und den andern Menschen.
Angenehme Gefühle bedeuten Übereinstimmung mit mir selber – wenn ich allerdings diese Übereinstimmung durch Herabwürdigung, Widersprüche, und Illusion erreiche, ist es eine Ablösung des Denkens vom Sein: denn in diesem Fall kommen Freude, Lust, Befriedigung nicht aus dem Gegenstand (z.B. Person) selber, sondern bloss aus meiner willkürlichen Beziehung, die ich zu ihm herstelle: zum Beispiel Macht, Überlegenheit, Herablassung, Schadenfreude, Freude an seiner Zerstörung. Auf diese Weise bestehen Denken und Wollen nicht darin, das Sein zu erfassen, sondern sich über es zu erheben.
Wir könnten unterscheiden zwischen dem, was wir durch unser Wollen sind und dem, was wir nicht durch unser Wollen sind. Derjenige, dessen Sein vornehmlich auf Wollen beruht – das heisst, von sich selber als Ursache – neigt dazu, sich von allem bedroht zu fühlen, über das er nicht Macht hat.
Wie hängt das Denken mit dem Wollen zusammen?
Wenn das Denken zusammenhangslos ist, ist es auch das Wollen.
Der springende Punkt beim wollen ist eine Realisierung, der springende Punkt beim Denken ist der Zusammenhang. Beim Wollen bestimme ich durch meinen Willen, was das andere ist. Beim Denken hingegen durch die Zusammenhänge, die beim Nachdenken und Nachforschen auftauchen. Natürlich gibt es auch zielgerichtetes Denken, das aber eher Wollen zu nennen wäre, insbesondere dann, wenn als Resultat des „Denkens“ das herausspringen soll, was zum vornherein die Absicht war.